Human Centric Lighting

Verschiedene Fotos von gemessenen Farbtemperaturen über den Tagesverlauf von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang

Immer wieder hört man mal von sogenanntem Human Centric Lighting oder von „aktivierendem Licht“. Was steckt denn eigentlich dahinter?

Eine Beleuchtungsanlage mit der sogenannten Human Centric Lighting Technologie umfasst letztendlich Leuchten, die die Farbtemperatur ändern, also zwischen warmweiß und kühlweiß, in Anlehnung an den natürlichen Tageslichtrhythmus. Auch bekannt als Tuneable White Leuchten, aber in der Regel mit einer automatisierten Steuerung über Tageslichtsensoren einer Wetterstation oder über eine Astrofunktion (unter Verwendung von Standort und Datum eine Anpassung der Werte gemessen am Sonnenauf- und -untergang).

Hinter der Idee des HCL steht die wissenschaftliche Erkenntnis von vor etwa 15-20 Jahren, dass es im Auge nicht nur Rezeptoren für das Sehen gibt (Farbrezeptoren für Rot, Grün und Blau sowie das Nachtsehen (schwarz/weiß/Bewegung)), sondern auch die sogenannten Ganglionzellen. Diese Zellen empfangen Lichtimpulse und geben sie als Signale an unsere Innere Uhr. Damit war bewiesen was vorher schon lange vermutet wurde, nämlich dass Licht nicht nur visuelle Eigenschaften für uns Menschen hat, sondern sich auch direkt auf unseren Biorhythmus, auf die hormonellen Abläufe in unseren Körpern, auswirkt. Das sind die sogenannten nicht-visuellen Wirkungen.

Alles Leben auf der Erde (auch wir Menschen) hat sich unter dem Jahrmillionen-alten Rhythmus von Tag UND Nacht entwickelt. Wir haben den Tag- Nacht Rhythmus genetisch in uns verankert, der bei etwa 24 Stunden liegt. Dabei gibt es Menschen, die eher zu 23 Stunden Tagen neigen, und andere die eher einen 25 Stunden Rhythmus haben. Mit der Erfindung des künstlichen Lichts greifen wir aktiv in unsere genetisch verankerten Abläufe ein, weil wir die hellen Zeiten des Tages deutlich verlängern können (einfach das Licht einschalten), als es in der Natur möglich wäre.

Die Entwicklung von Beleuchtungslösungen mit diesem HCL-Ansatz möchte also auf der einen Seite die Gesundheit der Menschen mit einer Anlehnung an den natürlichen Verlauf des Tageslichts unterstützen. Das bedeutet morgens eine Aktivierung durch kühleres Weißlicht mit höherem Blauanteil (Unterdrückung des Schlafhormons Melatonin, Aktivierung des Wach-Hormons Cortisol) und ab Nachmittag in Richtung Abend wärmeres Licht und weniger Blauanteile, um den „Abend“ zu suggerieren und den Organismus auf eine Ruhepause einzustellen. Dabei kann ein vereinfachter, idealisierter Verlauf nachgebildet werden, die permanenten Dynamiken des Tageslichts, welche stetig ablaufen und von uns nicht bewusst wahrgenommen werden, werden dabei nicht berücksichtigt.

Auf der anderen Seite stehen aber auch ganz klare wirtschaftliche Themen bei der Entwicklung des HCL-Konzepts auf der Agenda: teureres Leuchtensystem durch mehr Leuchtensteuerung/Lichttechnik und doppelte Anzahl von LEDs (warme und kalte) und Gesundheit verkauft sich immer gut.

Was uns als Lichtplanerinnen zögern lässt, diese Beleuchtungssysteme in der Art anzupreisen ist ein ganz einfacher Punkt: Wir sind keine Ärztinnen. Ja, wir greifen mit künstlicher Beleuchtung direkt auf unsere intrinsischen Rhythmen und in unsere Gesundheit ein. Bisher sind Normung und Empfehlungen aus der Richtung noch recht verhalten. Studien zur genauen Wirkung von Licht auf uns Menschen sind in der Regel mit wenigen Probanden unternommen und die Ergebnisse alle recht subjektiv (fühlt sich ein Teilnehmer jetzt eher wach oder eher müde….)

Wo das Thema HCL super spannend ist, ist in der Schichtarbeit. In Krankenhäusern, Leitstellen etc. Da ist es auch schon sehr gut durch Studien erwiesen, dass eine Beleuchtung mit unterschiedlichen Lichtfarben und Intensitäten die negativen gesundheitlichen Auswirkungen von Schichtarbeit (entgegen der natürlichen Rhythmik) deutlich abmildern kann und die Menschen unterstützt mit besserem Schlaf, besserem Immunsystem und besserer allgemeiner Gesundheit.

In normalen Bürohäusern beispielsweise, die alle nach unserer deutschen Normung mit entsprechend viel Tageslicht belichtet sein müssen, spielt das unserer Einschätzung nach eher eine untergeordnete Rolle. Genauso in Schulen. Da zählt insgesamt eher eine hochwertige Beleuchtung im Sinne der Lichtqualität, Ausleuchtung (Kontraste und Fokuspunkte), Farbwiedergaben, Blendfreiheit etc.

Für „normale“ Menschen, die morgens zur Arbeit gehen und abends wieder zurückkommen, ist ein ordentlich tagesbelichteter Arbeitsplatz und eine ausgedehnte Mittagspause im Freien, sowie eine An- und Abreise zur Arbeitsstelle zu Fuß oder mit dem Rad an der frischen Luft (mit natürlichem Tageslicht) eine deutlich kostengünstigere und vor allem gesundheitlich völlig unbedenkliche Art, seine Gesundheit zu fördern und wach und aktiv in den Tag zu starten.

Für uns zuhause spielt diese Technologie aus unserer Sicht ebenfalls keine große Rolle. In der Regel sind unsere Wohnräume mit ausreichend Fenstern und somit hohem Tageslichteintrag ausgestattet. Schalten wir das Licht zuhause an, ist es Abend und wir profitieren von warmem, gemütlichem Licht (wie wir es auch immer empfehlen).

Eine Ausnahme ist ein Home-Office-Büro. Habt ihr einen Raum, in dem ihr oft und lange im Home-Office tätig seid, und habt ihr durch Verbauung oder in der dunklen Jahreszeit oft das Bedürfnis Licht einzuschalten, kann eine Beleuchtung mit kühlerem Lichtanteil eine sinnvolle Ergänzung sein. Dabei braucht ihr aber keine große, teure Technologie anzuschaffen. Achtet beim Kauf auf die veränderbare Lichtfarbe, auf die Lichtqualitäten, zu denen wir hier auch schon viel geschrieben haben (Farbwiedergabe CRI, Flickerfrei) und eine manuelle Einstellung der Lichtfarbe. Eine Automatisierung ist ja nicht zwingend nötig, stellt euch einfach die Lichtfarbe nach eurem Wohlgefühl ein. Morgens eine kühle Lichtfarbe zu wählen (oder nach draußen zu gehen) hat die höchste Auswirkung auf unsere Innere Uhr, aber macht es einfach, wie es sich gut anfühlt für euch. Dann könnt ihr eigentlich nichts falsch machen 🙂

Beleuchtung ist sehr subjektiv und die Möglichkeit zu dimmen (oder die Farbtemperatur zu ändern) ist sowieso empfehlenswert!

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